22.07.2010 – 514. Bergstreittag in Schneeberg

Der 22.Juli ist im Kirchenkalender als Namenstag Maria Magdalenas verzeichnet.

Für traditionsbewußte Bergleute des Erzgebirges ist er der „Bergstreittag“.

Die historischen Wurzeln liegen im 15. Jahrhundert. Um 1470 hub in und um Schneeberg das große „Berggeschrey“ an, und es entstand ein blühender Silbererzbergbau – leider nur kurze Zeit, die Ausbeute ging nach knapp 30Jahren stark zurück, die Lagerstättenverhältnisse zwangen zum Vordringen in größere Teufen und damit zu erhöhtem Aufwand. Die Bergherren als Kapitalbesitzer verhielten sich damals schon wie ihre heutigen Vertreter und versuchten, diesen Aufwand auch auf die einfachen Bergleute abzuwälzen: 1496 beabsichtigten sie deshalb, deren schon an der Existenzgrenze liegenden Wochenlohn von 10 Groschen um einen Groschen zu „brechen“. Sie scheiterten am konsequenten Widerstand der Bergleute. Ein erneuter Versuch im Jahre 1498 scheiterte ebenso. Nach diesem Sieg kehrten die Bergleute in die Stadt zurück. Als ehrfürchtige, religiöse Menschen führte sie ihr erster Weg zu einem Dankgottesdienst in ihre Kirche (was wußten sie schon von den Mechanismen kapitalistischer Ausbeutung und von der Profitgier ihrer Bergherren…)

Von da an wurde dem „Schneeberger Streittag“ mit einem festlichen Bergaufzug und einem Berggottesdienst gedacht. Der Streittag wurde zum arbeitsfreien Tag und mit dem Edikt Kurfürst Johann Georgs II. auf den 22. Juli festgeschrieben, dem Namenstag Maria Magdalenas. Spätere Versuche, diesen freien Tag zu streichen, wurden nicht nur abgewehrt, sondern festigten dessen Ruf. Erst aufgrund der Industrialisierung und der Veränderung der sozialen und politischen Bedingungen im 20. Jahrhundert entfiel dieser arbeitsfreie Tag.

Die Tradition aber lebt weiter und so fand in diesem Jahr der 514. Bergstreittag statt.

Die Historische Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft als größter Traditionsverein des Sächsischen Landesverbandes nahm mit 22 Bergkameraden an dem abendlichen Bergaufzug und dem Berggottesdienst in St. Wolfgang teil.

Bei der Abfahrt am Nachmittag waren wir noch halbwegs optimistisch, wenn auch der regionale Wetterbericht für das westliche Erzgebirge bereits heftige Schauer und Gewitter „angedroht“ hatte. Und es kam wie angekündigt: mit Beginn des Bergaufzuges in Neustädtel brach heftiger Regen über uns herein. In kürzester Zeit waren wir bis auf die Haut naß. Eine ganze Reihe von Zuschauern harrte trotzdem mit Schirmen bewaffnet aus und zollte unserem (unfreiwilligen) Durchhalten anspornenden Beifall. Mit klammen Uniformen zogen wir schließlich in St. Wolfgang ein. Der festliche Berggottesdienst entschädigte uns für die alles andere als angenehme „Regenschlacht“. Die Schneeberger Kirchgemeinde versteht sich jedes Jahr auf eine exzellente berg- und kirchenmusikalische Ausgestaltung; es war ein akkustischer Genuß.

Beim Auszug aus der Kirche und dem anschließenden Bergzeremoniell auf dem Marktplatz waren wir (leider) immer noch ziemlich „durchfeuchtet“ und mußten diesen Zustand bis zur Ankunft in Freiberg ertragen…

Doch die Mitglieder der HFBHK sind standfest und trotzten den Widrigkeiten: Traditionspflege bedeutet eben auch Stehvermögen…

 

Bergkamerad

Dr. Eberhard Pönitz

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