Gewerke
Als im Vorfeld der 800-Jahr-Feier der Stadt Freiberg eine Parade der Berg- und Hüttenleute aufgebaut werden sollte, stand die Arbeitsgruppe vor einem Problem: Welche der verschiedenen Bekleidungsvorschriften aus 800 Jahren Montangeschichte in Freiberg sollte ausgewählt werden?
Man entschied sich letztlich für eine Uniformierung, die um 1855 im sächsischen Erzbergbau getragen werden musste. Folgende Punkte waren dafür ausschlaggebend:
- Aus dieser Zeit existieren umfangreiche Uniformbeschreibungen und Bilder.
- Die Uniform hat einen einfachen Schnitt und es sind wenige Posamenten zur Verzierung notwendig.
- Der Nachfolger eines Blaufarbenwerkes gehörte zum Bergbau- und Hüttenkombinat und deshalb sollten Blaufarbenwerker mit eingebunden werden (das Werk war 1986 vor 250 Jahren gegründet worden, hatte also ein Jubiläum).
- Da auch das für die damalige Zeit wichtige Amalgamierverfahren repräsentiert werden sollte, konnte dies realisiert werden (Amalgamierverfahren in Halsbrücke produzierte zwischen 1792 und 1857).
- Vorlagen für Fahnen, Werkzeugen, Insignien aus dieser Zeit lagen in guter Qualität und ausreichend als Vorlagen vor.
- Notwendige Stoffe, wenn auch nicht in der gewünschten Qualität, konnten ohne Bilanzanteile bereitgestellt werden.
- Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts lagen ausreichend Beschreibungen von Paraden und Aufzügen vor.
- In der Hutfabrik Freiberg konnten die fast 300 benötigten Hüte zusätzlich zu den „Planvorgaben“ produziert werden.
- Der Satz „Wir wollen in Freiberg eine Parade nach historischem Vorbild aufbauen“ öffnete viele Türen und Herzen bei angefragten Produzenten und Unterstützern.
Die heute getragene Uniform basiert auf Festlegungen aus der Zeit um 1827 (einfache Gewerke, wie Häuer, Schmelzer, Maurer oder Blaufarbenwerker) und von 1842 bzw. 1853 (Beamte und Offizianten, wie die niederen Beamten bezeichnet wurden).
Charakteristisch für diese Zeit und für die Paradekleidung der Berg- und Hüttenleute Sachsens sind:
- An erster Stelle die weißen Hosen,
- die schwarze Jacke und der grüne Hut für den Beschäftigten im Bergbau, betraf auch die Beamten,
- die weiße Jacke und der schwarze Hut für die Träger, die mit dem Feuer zu tun haben, also die Arbeiter aus den Schmelzhütten und aus den Schmieden,
- Arschleder und Kniebügel für den Träger der schwarzen Jacke, außer dem Beamten des Hüttenwesens,
- die Tscherpertasche, die alle Bergbeamten und die Akademisten vor dem Bauch trugen,
- die graue Jacke, die nur noch dem Knappschaftsältesten der Hütten zustand,
- die in Kreisen gelegte grün/weiße, sächsische Kokarde an jedem Hut,
- die weiße Gugel (Kapuze), die von den Knappschaftsältesten als Reverenz an die Altvorderen unter dem Hut getragen wurde,
- die von den einfachen Gewerken noch immer in der Parade getragene Froschlampe (obwohl schon vor 1800 zur Arbeit im Freiberger Bergbau die mit Rübsamenöl gespeiste Freiberger Blende eingesetzt wurde, trug man weiter das Vorgängergeleucht wegen dem fackelartigen Licht),
- die Kennzeichnung der Revierzuordnung, in welchem der Träger beschäftigt war, erfolgte über die Farbe der Ärmelaufschläge (einfache Gewerke) oder die Patten an den Aufschlägen (Beamte).
Am Abend des 4. Juli 1986 war es dann soweit. Es waren 274 echte Berg- und Hüttenleute (Arbeiter und Angestellte des VEB Bergbau- und Hüttenkombinates „Albert Funk“ Freiberg) und 40 Musiker (Blaskapelle des gleichen Kombinates), die zum Tag des Bergmanns und Energiearbeiters in Freiberg in historisch gestalteten Uniformen, aufmarschierten. Unter fortlaufendem Beifall wurden die Uniformträger auf ihrem Weg durch die Freiberger Altstadt begrüßt.
Seit diesem Tag kann man Mitglieder der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft e.V. in ihren Uniformen zu vielen Paraden, Aufzügen, Festumzügen und Aufwartungen in Freiberg, Sachsen, Deutschland und auch im Ausland sehen. Damit realisieren die Teilnehmer von „Leder und Schürze“ die Hauptaufgaben ihres Vereins: „Pflege und Bewahrung der Traditionen des Freiberger Bergbaus und des Freiberger Hüttenwesens, ihre weitere Erforschung und Publizierung sowie die Pflege berg- und hüttenmännischen Brauchtums“. Vermerkt ist dies in der Satzung des Vereins.