31.12.2019 – Silvesterwanderung

Die Kannegießerrösche in Freiberg

Für den 31.12.2019 hatte die Fachgruppe Bergbaugeschichte der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft zur 27. Silvesterwanderung eingeladen. Zu diesem Jahresabschluss ging es auf den Spuren der Freibegrer Kannegießerrösche vom Hospitalwald in die Freiberger Innenstadt.

Auf der Grundlage mehrerer Quellen (siehe unten) hatte Wanderleiter Knut Neumann (Mitglied im Freiberger Hilliger Verein und Vorsitzender der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft) die Route zusammengestellt und über 35 Teilnehmer folgten dann den Ausführungen. Die Wanderung begann am Freiberger Wasserturm und führte von dort zum Quellgebiet der Kannegießerleitung. Dieses liegt an der B173 stadtauswärts nach dem Abzweig Kleinschirma rechts der Chemnitzer Straße. Heute ist dieser Bereich Wald und gehört zum Freiberger Stadtwald/Hospitalwald.

Als die Wasserleitung um 1520 gefasst werden sollte, wurde die Fläche als Acker vom Pfarrer zu Fernesiechen genutzt. Mehrere Quellen bilden den Ursprung der Leitung, wobei einige auch auf der anderen Seite der B-Straße liegen sollen. Das Quellgebiet liegt zirka 443 m über NN. Das Wasser selbst wird in Röhren und bergmännisch aufgefahrenen Röschen unterirdisch in Richtung Stadtgebiet gebracht. Im Bereich des heutigen Tierparkes erreichte die Leitung wieder die Erdoberfläche. Sie war über Jahrhunderte die bedeutendste Quellwasserleitung aus alter Zeit für die Freiberger Innenstadt.

Wir wandern an diesem Tag durch den der B-Straße nahen Wald, erst entlang der Fernwasserleitung (Zuger Sammler – Großschirma/Nossen), durch die naturnahe Waldzelle, über den Kleinwaltersdorfer Weg zurück zur B-Straße. Bis zur Goethestraße geht es direkt weiter auf dem Fußweg, in dem die Wasserleitung für das Johannisbad liegt, dessen Quellen das Wasser des Hospitalwaldes stadtauswärts links der B-Straße sammeln.

Die Leitung verläuft als Rösche vom Wassersammelgebiet an der B173 fast parallel der Chemnitzer Straße bis zur Goethestraße, in dieser dann bis zum Bereich des Tierparkes. Im Tierpark sehen wir nahe der Straße, im Hang hinter dem Spielplatz, dann den Ausgang der Rösche und zum ersten Mal an diesem Tag das Wasser, welches die Kannegießerrösche in die Stadt führt. Von dort fließt es in den Teich des Tierparkes (im Volksmund auch Pferdeschwemme genannt), quert danach unterirdisch die Lessingstraße, um im Johannisbad, im untern Teil, wieder an der Oberfläche zu kommen. Direkt an der Beethovenstraße wird diese wieder unterirdisch gequert, und genauso fließt das Wasser bis in den Zufluss des oberen Kreuzteiches.

In frühere Zeit floss das Wasser nach dem Verlassen der „Pferdeschwemme“ in einen Wasserkasten im Bereich der heutigen SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG. Von dort wurde über Röhren auf Stelzen der Bereich der Stadtbefestigung gequert und das Wasser zum Wasserkasten am Petriplatz gebracht.

Leider verursachte der Bau der Leitung, der im Auftrag und auf Kosten der Stadt erfolgte, große Schwierigkeiten. Die Kannegießerhütte, die direkt am Petriplatz lag, benötigte aber das Wasser, und so erklärte sich Martin Kannegießer (auch Kannegießer Martin Hilliger) bereit, die Wasserleitung unter bestimmten Bedingungen fertig zu stellen. Nach Zusage stellt er die Leitung auf seine Kosten innerhalb von 2 Jahren fertig. Bedingung der Stadt, Restbau nur auf Kosten der Hilligers, und dafür erhält die Familie den dritten Teil des Wassers. Nach der Fertigstellung wird 1526 als Vertrag ein Wasserbrief ausgestellt, der aber die anfangs gegebenen Festlegungen aufweichte – Hilliger erhält 1/3 des Wassers aber nur, wenn Stadt und Hospital genug Wasser haben. Dies führt zur Beschwerde durch Martin Hilliger beim Herzog Heinrich. Dieser entscheidet 1529: Hilliger darf 1/3 des Wassers in seine zwei Häuser führen, muss aber jährlich Kosten für die Unterhaltung der Wasserlohrleitung (zwei Flache) übernehmen.

Der Bau der Rösche fiel in die Zeit des Martin Hilliger:

Nachweislich taucht das erste Mal ein Hilliger (Hans Hilliger auch Hillger oder Hilger) als Besitzer der ersten Hilligerhütte (Gießhütte) 1412 in Freiberg auf.

Ihm folgen seine Söhne Hans Junior und Nicolaus.

Dessen Sohn ist Oswald, der Erbauer der zweiten Gießhütte im Jahr 1482.

Interessant für den Bau der Leitung ist Martin I., ein Sohn von Oswald.

Martin Hilliger:

  • Dieser Martin Hilliger wurde am 14. Dezember 1484 geboren.
  • Er lernte bei seinem Vater mit seinem Bruder die Glockengießkunst
  • 1510 Gerichtsschöppe
  • 1514 In der Hütte seinem Vater gießt er „canons“ –Kanonen:
  • 1517 Übernahme der Hütte nach dem Tod des Vaters Oswald auf Rechnung aller Geschwister
  • 1519 Ratsherr
  • 1519 zahlte Martin Hilliger die Geschwister mit 500 Gulden aus.
  • 1519 Gründung mit drei weiteren die Innung der Kannen-Zinn-Gießern.
  • 1521 Martin Hilliger erhält vom Magdeburger Kardinalerzbischof Albrecht von Brandenburg ein Wappen verliehen. Im Wappenbrief steht: „Umb seiner Kunst, Redtlichkeit, Erbarn Gemüths Unnd Handlung willen“.
  • 1523 Stadtrichter und Führung der Gerichtsbücher
  • 1525 regierende Gerichtsrichter
  • 1529 Hospitalmeister und Vorsteher des Geistlichen Einkommens
  • 1537 Durch seinen guten Ruf stiegen die Aufträge und die Gießhütten genügten nicht mehr. Er entschloss sich zum Neubau vor der Stadt in der Nähe des Peterstors.
  • 1540 Errichtung Einer durch Pferde betriebenen Mühle (Roßmühle) an der Stadtmauer /Nähe Niederes Kloster
  • 1540 Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er Dorothea Trainer
  • 1549 Innung gibt sich Zunftartikel
  • 1535 Schlichtung des Bäckerstreits in Roßwein durch Martin Hilliger
  • 1539 bis zum Tod des Herzog Heinrichs goss er für diesen Kanonen und Büchsen
  • Gestorben ist Martin Hilliger 15. Juni 1544
  • Beigesetzt wurde er an der Mauer des Donatsfriedhofs neben seiner ersten Frau Ottilie Theler. Otto Hübner bemerkt dazu in den Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins (MFA), dass Hilliger „im Schwibbogen“ beigesetzt wurde. Douffet stellt aber in seinem Artikel in der Freiberger Denkmaltopografie (Band II., S. 559) fest, dass die Schwibbögen erst später errichtet wurden – „…. 1567 von einer hohen Mauer mit hundert Schwibbogen umgeben und 1588 in die jetzige runde Form gebracht“)

Nachfolger der Gießhütte wird sein Sohn Wolf Hilliger

Im Hof der SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG verlässt die Wandergruppe den Verlauf der Rösche und sucht die Stelle auf, an der früher die Hilligersche Schmelzhütte vor der Stadt lag. Im Jahr 1537 baute Martin Hilliger eine Gießhütte vor dem Peterstor, am Schneckenberg. In der Karte von 1576 „Plan der Stadt Freiberg“ von Franz Hogenberg und Georg Braun ist die Hütte eingezeichnet. Dieses Haus der Hilligers wird als Buchsengießhaus bezeichnet. Am 18. Oktober 1634 wurde Hütte bei einem Angriff auf die Stadt während des 30-jährigen Krieges zerstört.

Später wird behauptet, die Hütte stand dort, wo heute das Schwedendenkmal steht.

Der Erste, der dies wahrscheinlich niedergeschrieben hat, war Julius Schmidt (1865 – „Die Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger“) und Nachfolger haben dies übernommen. So 1906 – Otto Hübner, „Die Familie Hilliger“ und auch 2011 – Rainer Thümmel, „Glocken in Sachsen, Klang zwischen Himmel und Erde“.

Praktisch war dies aber nicht möglich und verteidigungstechnisch auch nicht. Das Peterstor reichte schon fast bis zum Standort des heutigen Denkmals, und davor musste ein Sichtbereich freigehalten werden wie man auf der Karte von 1576 sehen kann. Nach verschiedenen Vergleichen und digitalen Abstimmungen muss die Gießhütte ungefähr in dem Bereich gestanden haben, wo heute die öffentliche Toilette des Albertparkes steht.

Die Wanderfreunde lernen am Schluss der Wanderung noch die zwei Wohnhäuser der Hilligers kennen. Das Wohnhaus Petersstraße 40 und das an der Ecke Petriplatz / Waisenhausstraße. Auf der Petersstraße ist das Türgewölbe im Schlussstein mit dem Hilligerwappen gekrönt. Die Buchstaben G und H deuten auf Gabriel Hilliger (* 1677, + 11.02.1756, er war der letzte Glockengießer der Familie). Am Eckhaus Petriplatz ist das Wappentier über der 2. Etage direkt an der Hausecke zu sehen, so dass es von beiden Straßenseiten sichtbar ist. In der Nähe dieses Hauses mündete auch die Kannegießerrösche in den Wasserkasten und damit endete auch hier die Wanderung entlang der Kannegießerrösche.

Erst mit der umfassenden Neuregelung der Freiberger Wasserversorgung um 1900 verlor die Kannegießerrösche ihre Bedeutung. Noch heute fließt ein Teil des Wassers aus dem Hospitalwalde durch die Rösche in Richtung Innenstadt – wenn es diese auch nicht mehr erreicht. Es fließt direkt in den Zufluss der Kreuzteiche.

Quelle: Internet: http://www.gupf.tu-freiberg.de/freiberg/histor_wasserversorg.html: Historische Wasserversorgung“; Julius Schmidt, 1865 – „Die Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger“ in MFA Nr.4, Otto Hübner, 1906 – „Die Familie Hilliger“ in MFA Nr.42; Franz Hogenberg und Georg Braun: 1576 „Plan der Stadt Freiberg“, Knut Neumann. 2006 – „Silvesterwanderung – Wassersysteme im Freiberger Stadtwald“; Stadt Freiberg, Denkmaltopografie Band II.

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